Gedächtnis-Engramme im Hypothalamus entdeckt

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Das Gehirn ist das komplexeste biologische Material, das sich im Laufe von Hunderten von Millionen Jahren aus einfachen neuronalen Netzen entwickelt hat, die einfache erlernte Verhaltensweisen ausführen, wie z. B. das Vermeiden gefährlicher Situationen, um die Überlebensrate zu verbessern. Erinnerungen spielen eine zentrale Rolle für das Überleben, so dass es selbstverständlich ist, dass die Konstellation interagierender Zellen, die Gedächtnis-Engramme bilden, auf der evolutionären Zeitskala weit zurückreichen muss.

Das heute vorherrschende Dogma ist jedoch, dass Erinnerungen im Hippocampus gebildet und später im Kortex gespeichert werden. Diese eingeschränkte Sichtweise berücksichtigt nicht die anderen Hirnstrukturen, insbesondere die evolutionär älteren Hirnstrukturen, die eine dynamische Reorganisation der anatomischen und funktionellen Schaltkreise für die Bildung und Speicherung von Erinnerungen durchführen.

In einer kürzlich in der Zeitschrift Neuron veröffentlichten Studie kam ein internationales interdisziplinäres Team unter der Leitung des iberischen Forschers Mazahir T. Hasan zu dem Schluss, dass Gedächtnis-„Engramme“ oder „Spuren“ wahrscheinlich auch in evolutionär älteren Hirnstrukturen, wie dem Hypothalamus, gebildet und bewahrt werden. Die Wissenschaftler nahmen bestimmte Zelltypen im Hypothalamus ins Visier, nämlich Neuronen, die Oxytocin produzieren – ein Neuropeptid, das verschiedene emotionale Hirnfunktionen, darunter auch Angst, kontrolliert.

Das Team entwickelte eine neuartige genetische Methode zur selektiven Markierung der Oxytocin-Neuronen, die während des Lernens, der Gedächtnisbildung und des Abrufs rekrutiert werden. Mit Hilfe dieser Technik entdeckten die Autoren, dass in der Tat kontextspezifische Engramme in den hypothalamischen Schaltkreisen gebildet und bewahrt werden und dass eine Störung dieser Engramm-Schaltkreise drastische Auswirkungen auf das Furchtgedächtnis hat.

Diese Schlussfolgerung ergab sich aus den Experimenten, bei denen die Autoren genetische Schalter in den Hypothalamus einschleusten, die dazu bestimmt sind, die während des Furchtabrufs aktivierten Oxytocin-Neuronen selektiv zu „markieren“. Diese „markierten“ Zellen wurden genetisch mit Viren beladen, die Proteine enthielten, mit denen die neuronale Aktivität manipuliert werden konnte, entweder durch Blaulichtstimulation, um die markierten Zellen zu aktivieren (Optogenetik genannt), oder durch Verabreichung einer synthetischen Chemikalie, um diese Neuronen zum Schweigen zu bringen (Chemogenetik genannt). Als die Forscher diese markierten Zellen aktivierten, begannen die Tiere, die gelernt hatten, in einer gefährlichen Umgebung zu erstarren, sich zu bewegen; im Grunde genommen war der Ausdruck der Angst blockiert, solange die Neuronen aktiviert waren. Wurde das blaue Licht ausgeschaltet, kehrte die Furchterregung zurück. Dies zeigt, dass die markierten Zellen „das Wissen“ über die Angst enthalten. Die Autoren führten dann das umgekehrte Experiment durch, indem sie die Oxytocin-Neuronen des Engramms zum Schweigen brachten. Sie fanden heraus, dass derselbe Schaltkreis auch benötigt wird, um die Angst in einem Prozess zu löschen, der „Extinktion“ genannt wird. Bemerkenswerterweise unterliegen diese Zellen einer enormen Plastizität, indem sie von einer langsamen Übertragung, die durch das Neuropeptid Oxytocin vermittelt wird, auf eine schnelle Reaktion durch die schnell aktivierende Glutamatübertragung umschalten.

Diese Entdeckung ist ein „game-changer“, da sie dazu aufruft, die Gedächtnis-Engramme in den verschiedenen Hirnregionen, sowohl in niederen als auch in höheren Hirnstrukturen, zu erforschen. Durch das Verständnis der anatomischen und funktionellen Angstschaltkreise sollte es möglich sein, innovative Strategien zur Behandlung menschlicher psychischer Erkrankungen zu entwickeln, bei denen das Angstgedächtnis pathologisch wird, wie z.B. bei der allgemeinen Angst und insbesondere bei posttraumatischen Belastungsstörungen.

Für weitere Informationen: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31104950

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